Zerstörung eines
Vogelschutzgebiets
Im
Erörterungstermin zum Planfeststellungsverfahren für den Flughafen
Braunschweig-Wolfsburg vom 19.-21.12.2005 wurde erstmals das
ornithologische Gutachten bekannt, das im Auftrag der
Flughafengesellschaft Braunschweig-Wolfsburg erstellt wurde und das
bereits seit Oktober 2005 vorlag.
Aufgrund dieses Gutachtens, das das betreffende Gebiet sinngemäß für
unantastbar einstufte, versuchte nach unserer Auffassung die Stadt
Braunschweig, das betreffende Gebiet in eigener Regie dennoch für eine
Verlängerung der Start- und Landebahn des Flughafens
Braunschweig-Wolfsburg herzurichten.
Am 10.04.2006 wurde daher ein Entwurf der Verordnung zur Änderung der
Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Querumer Holz und
angrenzende Landschaftsteile" einschließlich der Erweiterung des
EU-Vogelschutzgebiets V48 "Laubwälder zwischen Braunschweig und
Wolfsburg" öffentlich ausgelegt .
Neben einer weitergehenden als der bis dahin erfolgten
Unterschutzstellung des betreffenden Gebiets stellte die Stadt
Braunschweig mit Zustimmung der Fraktionen von CDU, FDP und SPD im Rat
der Stadt Braunschweig nach unserer Auffassung die Weichen für eine
Verlängerung der Start- und Landebahn wie folgt:
§
7 Freistellungen
Keinen Einschränkungen aufgrund dieser Verordnung unterliegen:
.
.
6. Pläne oder Projekte, deren Verträglichkeit durch eine Prüfung gem.
§ 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie, § 34 Abs. 2 BNatSchG, § 34c Abs. 2 NNatG
festgestellt bzw. nach Maßgabe von § 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie, § 34
Abs. 3 bis 5 BNatSchG, § 34 c Abs. 3 bis 5 zugelassen worden sind und
zugleich die sonstigen Schutzzwecke nach § 4 Abs. 1, 3 und 4 dieser
Verordnung im geringst möglichen Maß beeinträchtigen
.
.
§ 8 Ausnahmen, Befreiungen
(1) Wird durch eine nach § 5 verbotene Handlung der Charakter des
Landschaftsschutzgebietes nicht verändert und der Schutzzweck nicht
beeinträchtigt, kann die untere Naturschutzbehörde auf Antrag eine
Ausnahme zulassen.
(2) Im Übrigen kann von den Verboten dieser Verordnung nach Maßgabe
des § 53 NNatG auf Antrag Befreiung gewährt werden.
Nach unserer Auffassung konnte sich so
die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Braunschweig und damit die Stadt
Braunschweig selbst eine Ausnahmegenehmigung erteilen.
Die Verordnung zur Änderung der Verordnung über das
Landschaftsschutzgebiet ,,Querumer Holz und angrenzende
Landschaftsteile" (LSG BS 9) wies in der dem Amtsblatt der Stadt
Braunschweig vom 10.8.2006 beiliegenden Karte aus, dass der Um griff des
betreffenden Gebiets die im Flächennutzungsplan der Stadt Braunschweig
ausgewiesene Sonderbaufläche "Erweiterung Deutsches Zentrum für Luft-
und Raumfahrt" beinhaltete. Die dermaßen geltende Verordnung war aber
auch Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses vom 15.1.2007 zur
Verlängerung der Start- und Landebahn des Flughafens
Braunschweig-Wolfsburg.
Das ausgewiesene Landschaftsschutzgebiet schloss damit gewerblich
genutzte oder zur gewerblichen Nutzung vorgesehene Flächen ein. Die
Stadt Braunschweig stützte als Hauptgesellschafterin der Flughafen
Braunschweig-Wolfsburg GmbH sogar die Rechtfertigung der
Bahnverlängerung mit der Begründung, dass die Sonderbaufläche des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt für die Sicherung und
für die Erweiterung des so genannten "Avionik-Clusters" (ein
Zusammenschluss von Unternehmen der Luftfahrtelektronik) benötigt werde.
Selbst ein Jahr nach Planfeststellungsbeschluss vom 15.1.2007 wurde im
Flächennutzungsplan der Stadt Braunschweig, Fortschreibung 2008, die
Sonderbaufläche des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt weiterhin als Teil des Landschaftsschutzgebiets
,,Querumer Holz und angrenzende Landschaftsteile" (LSG BS 9)
ausgewiesen.
Nach Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts kann jedoch eine
Kommune eine geplante Siedlungsfläche nicht gleichzeitig als
Vogelschutzgebiet bzw. Landschaftsschutzgebiet ausweisen. Leitsatz:
"Eine Gemeinde darf als Naturschutzbehörde keine
Landschaftsschutzgebietsverordnung erlassen, die im Widerspruch zu den
Darstellungen ihres Flächennutzungsplans steht." (8 KN 72/02 OVG
Lüneburg, Urteil vom 15.9.2005).
Erst ein halbes Jahr nach dem Planfeststellungsbeschluss vom 15.1.2007
erstellte die Stadt Braunschweig einen ersten Planbeschluss als Vorlage
11353/07 vom 20.07.2007 für die Einleitung eines Verfahrens zur Änderung
des Flächennutzungsplans, mit dem die als Teil des
Landschaftsschutzgebiets ,,Querumer Holz und angrenzende
Landschaftsteile“ (LSG BS 9) ausgewiesene Sonderbaufläche "Erweiterung
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt" nunmehr als "Fläche für Wald"
dargestellt werden sollte.
Aufgrund rechtlicher Bedenken erstellte die Stadt Braunschweig ein Jahr
später erneut einen Planbeschluss als Vorlage 12265/08 vom
18.11.2008 mit dem Beschlussvorschlag "Für das im Betreff bezeichnete
Stadtgebiet wird die 94. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt
Braunschweig mit geändertem Begründungstext und geändertem Umweltbericht
beschlossen." In der Begründung zur Vorlage 12265/08 vom 18.11.2008
bestätigt die Stadt Braunschweig:
"Die Teilfläche B südöstlich der Tiefen
Straße/ Grasseler Straße ist im derzeit gültigen Flächennutzungsplan
schon seit 1978 als "Sonderbauflächen" (Forschung/Deutsches Zentrum
für Luft- und Raumfahrt) dargestellt".
Weiterhin erkennt die Stadt
Braunschweig in der Begründung zur Vorlage 12265/08 vom
18.11.2008 fast 2 Jahre nach Planfeststellungsbeschluss vom
15.1.2007:
"Da die derzeitige Darstellung als "Sonderbauflächen" im Widerspruch zu
der Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet steht, soll der
Flächennutzungsplan nun geändert und die Teilfläche B zukünftig
bestandsbezogen als "Flächen für Wald" dargestellt werden."
Der dermaßen geänderte Flächennutzungsplan wurde dann im Amtsblatt für
die Stadt Braunschweig vom 28.1.2009 veröffentlicht. Obwohl der
Planfeststellungsbeschluss vom 15.1.2007 auf einer rechtsfehlerhaft
erscheinenden Landschaftsschutzgebietsverordnung basierte, fand das Nds.
Oberverwaltungsgericht im Mai 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung
der Klage des NABU und mehrere Grundeigentümer gegen den
Planfeststellungsbeschluss keine Beanstandung dieser späten
Nachbesserung.
Zuletzt überarbeitet:
13.07.2012