Mittags-Glockengeläut der Kirchengemeinde
Waggum
Nicht abgedruckter Leserbrief des Waggumer Kirchenvorstandes an die
Braunschweiger Zeitung
Als
Mitglieder des Kirchenvorstandes der Evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinde Waggum möchten wir zum Glockengeläut der
Kirchengemeinde Waggum Stellung nehmen. Nicht der Pfarrer hat das
Glockengeläut „verfügt“, sondern es erfolgte mit Beschluss des
Kirchenvorstandes. Das Läuten von Glocken fordert zum Innehalten und
zum Gebet auf. Das tägliche Glockengeläut erfolgt nicht „aus Protest
gegen die Startbahnverlängerung“. Vielmehr sollte auf die Sorgen der
Waggumer bezüglich der Abholzungen im Querumer Wald, der Sperrung der
Grasseler Str. und der Informationsdefizite zur Landebahnverlängerung
eingegangen werden. Die Politiker haben diese Sorgen nicht ausreichend
zur Kenntnis genommen und keine klärenden Gespräche geführt. Angesichts
der Ohnmacht, die viele Menschen durch die Planungen des
Flughafenausbaus erleben, ist das Gebet eine Form der Verarbeitung, die
nicht in Resignation endet. Der vertraute Klang der Glocken hat auch
seelsorgerische Bedeutung. Die betroffenen Bürger können sich als Teil
einer Gemeinschaft erleben, kommunizieren
und Informationen austauschen.
Nach
der Berichterstattung der BZ ist der falsche Eindruck entstanden,
Pfarrer Dedekind persönlich hätte das Läuten angeordnet. Dies trifft
genauso wenig zu wie der Vorwurf, Pfarrer Dedekind spalte die Gemeinde
und sein Verhalten „werde von der Bevölkerung als belastende und
unangemessene Kritik empfunden.“
Der Waggumer Kirchenvorstand
hat sowohl das Beschwerdeschreiben von Bezirksbürgermeister Kliesch an
den Oberbürgermeister Dr. Hoffmann als auch dessen Schreiben an den
Landesbischof Prof. Dr. Weber gegen Pfarrer Dedekind zur Kenntnis
genommen und diskutiert. Der Kirchenvorstand hat daraufhin nochmals
einstimmig beschlossen, das tägliche Glockengeläut fortzusetzen.
Der
Kirchenvorstand Waggum unterstützt Pfarrer Dedekind, die
Gemeindemitglieder und alle betroffenen Bürger im Nordosten der Stadt
Braunschweig dabei, sich mit den von den Politikern vorgegebenen
Tatsachen auseinanderzusetzen. Nicht alle Waggumer sind
„Flughafenausbaugegner“, aber Fragen zu weiteren Abholzarbeiten im
Wald, hinsichtlich der ungeklärten Verkehrssituation und der
ökologischen und sozialen Folgen (Kappung der in Jahrhunderten
gewachsenen Beziehungen zu Querum) des Flughafenausbaus sollten in
einer rechtsstaatlichen Demokratie diskutiert werden dürfen. Wir
unterstützen die Vermittlerrolle von Pfarrer Dedekind und Landesbischof
Weber, weil die verantwortlichen Politiker es versäumt haben, das
Gespräch mit der Bevölkerung zu
führen.
In den
zurückliegenden Jahren wurde die betroffene Bevölkerung weder darüber
ausreichend informiert, dass die Grasseler Straße ohne Tunnel oder
Unterführung geschlossen werden sollte, noch welches Ausmaß der
Kahlschlag im Wald und die Schaffung weiterer Gewerbegebiete annehmen
würde. Die für eine Ostumfahrung (für PKW- und Fahrradverkehr)
notwendig werdende Abholzung weiterer Waldflächen wird im
Braunschweiger Norden entschieden abgelehnt. Warum bei einem
wirtschaftlich so vielversprechenden Millionenprojekt ein Tunnel oder
eine Unterführung nicht in Betracht kommen, ist für die betroffene
Bevölkerung nicht einsehbar.
Von gewählten Politikern ist es
nicht zu viel verlangt, auch nach einer demokratisch gefassten
Entscheidung ehrlich und offen Rede und Antwort zu stehen. Wer nach
bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat und dies durch seine
Begründung glaubhaft machen kann, hat eine große Chance, auch bei einer
Mehrheit der Betroffenen Verständnis zu finden.
M. Büttner, Dr. H. Grahn-Hoek, B. Harth, U. Heinsch, H. Kiehne, M. Landes,
J. Perels, G. Pradella, H. Weber