Einführung in die Problematik des
Flughafenausbaus
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Lange war um den Ausbau des Flughafens rechtlich gestritten worden. Am Ende
entschieden Verwaltungsgerichte nach formalen Kriterien, die für
Normalbürger kaum noch durchschaubar waren: etwa wer klageberechtigt ist und
ob Termine eingehalten wurden. Jetzt fallen seit Wochen Tag für Tag Tausende
von Bäumen eines hochrangigen Naturschutzgebietes der Verlängerung der
Startbahn zum Opfer. Erwartungen einer Stärkung der Wirtschaft hierzulande
stoßen sich hart im Raum mit Lebensraumbewahrung und Artenschutz, zu denen
Bundeskanzlerin Angela Merkel im Januar eindringlich aufgerufen hat. In der
Abwägung dieser Güter gibt es in unseren Orten unterschiedliche Ergebnisse
und Meinungen.
Bei den täglichen Begehungen der Abholzungsarbeiten traf ich auf viele
bekannte Gesichter aus der Mitte unserer Gemeinden, die fassungslos und auch
unter Tränen den Kahlschlag verfolgten. Sie hatten in den Wäldern schon als
Kinder gespielt und erlebten diese Art von Flughafenausbau nun als Verlust
von Heimat. Das Gefühl der Ohnmacht wandelte sich auch bei Menschen in
Zorn, die bisher Demonstrationen nur aus dem Fernsehen kannten.
Die Verlängerung der Startbahn greift so schwerwiegend in das Öko- und
Sozialsystem (etwa die Kappung der Grasseler Straße) ein, dass die bisherige
Meinungsbildung unter der betroffenen Bevölkerung vollkommen unzureichend
ist. Darum läuten täglich um 14.45 Uhr die Kirchenglocken. Sie läuten nicht
gegen den Flughafenausbau, wie manchmal gesagt wird - sie erinnern vielmehr
daran, dass dort “hinten” im Wald etwas geschieht, das jeden in unseren
Ortschaften angeht. Darüber muss diskutiert und auch gestritten werden -
natürlich mit Argumenten, Fairness und mit Respekt vor der Meinung des
Anderen. Solche Öffentlichkeit liegt im Interesse kommunaler Demokratie.
Deshalb hatte sich auch Landesbischof Weber als Moderator zu einem Gespräch
angeboten, zu dem die Kirchengemeinde Waggum eingeladen hatte. Von seiten
des Flughafens und seiner Betreiber folgte leider niemand der Einladung,
sodass diese Chance einer Verständigung bzw. geregelten Auseinandersetzung
ungenutzt blieb. Der Landesbischof würdigte dabei ausdrücklich das
Engagement der Ausbaugegner als Wahrnehmung demokratischer Grundrechte. Er
sicherte zu, sich als Vizepräsident der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz
nachdrücklich für eine dem Geist des Gesetzes entsprechende, ortsnahe und
tatsächliche Aufforstung der Ersatzflächen einzusetzen.
Die Kirchengemeinden als öffentliche Einrichtungen verstehen sich als Forum,
das kommunale Kommunikation und Meinungsbildung fördert. Man kann in der
Frage des Flughafenausbaus durchaus verschiedener Meinung sein - Resignation
aber und die Feststellung: “Da kann man sowieso nichts machen!” untergraben
die Demokratie und sind Wasser auf die Mühlen der schon jetzt größten
Partei: der Nichtwähler.
Also: Mischen wir uns ein!
Konstantin Dedekind