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Jahrelange Taeuschung, nun Charme-Offensive


Kommentar

Ein unmittelbarer Ausbau des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg für die Volkswagen AG war nicht möglich. Also steuerte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Jahre 2009 unter Benennung einiger bis heute allerdings nicht realisierter Forschungsvorhaben das notwendige „Öffentliche Interesse“ bei. Die zu verlängernde Start- und Landebahn und die um den Flughafen angesiedelten Unternehmen wurden fortan unter dem Namen „Avionik-Cluster“ subsumiert, obwohl keines der hier angesiedelten Unternehmen eine Verlängerung der Start- und Landebahn benötigte.

Eine klare Linie gab es jedoch von Anfang an nicht:

Die Stadt Braunschweig stellte zum Flughafen und zu den hier angesiedelten Unternehmen fest: „Das ist ja alles eins.“

Die rechtliche Bindung aus dem gemeinsamen Finanzierungsvertrag zwischen Land, Stadt Braunschweig, Stadt Wolfsburg und Volkswagen gelten für alle Aufgaben, die mit dem Ausbau des Flughafens zusammenhängen, und das ist eben halt ja auch das Avionik-Cluster und die Landebahn. Das ist ja alles eins.“
Erster Stadtrat Lehmann, Stadt Braunschweig, 01.11.2009
http://www.bibs-fraktion.de/fileadmin/user_upload/PDF/Buergerfrage_17_11_1.pdf


Der seiner-zeitige Vorsitzende des Aufsichtsrats der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH und Ratsmitglied der CDU, Reinhard Manlik meinte dagegen:

Den Begriff Forschungsflughafen haben wir zur Expo 2000 entwickelt … Dieser Begriff allein als Marketingbegriff hat ja mit dem Flughafen selbst gar nichts zu tun, sondern ist das Cluster drum herum.
Reinhard Manlik, 05.11.2012
https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article150795596/Schlag-auf-Schlag-Das-Duell-Teil-2.html


Selbst als das durch den kostenträchtigen Ausbau und Betrieb des Flughafens heraufbeschworene wirtschaftliche Desaster nicht mehr zu verbergen war und eine Rückstufung oder eine Reduzierung des Flughafens zum Thema wurden, gab es letzte Abwehrbewegungen.

So gab Boris Gelfert, einer der Geschäftsführer der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH, bekannt:

Von den jährlich etwa 28.000 Flugbewegungen entfallen bis zu 80 Prozent auf den Forschungsflughafen.
https://www.news38.de/braunschweig/article212275099/Das-Suchen-beginnt-Flughafenbraucht-neue-Einnahmen.html (link gone)


Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage erscheint jedoch angesichts der nachfolgenden Aussagen zweifelhaft:

In 2015 gab es bei 32.712 Gesamtflugbewegungen 729 Flugbewegungen (davon 299 Starts, 297 Landungen sowie 133 Überflüge) mit Luftfahrzeugen in Halterschaft von DLR oder TU. Dies stellt einen Anteil von 2,23 % dar.
Stellungnahme 16-02480-01 der Stadt Braunschweig

Die Forschungsflüge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der TU Braunschweig fallen zahlenmäßig kaum ins Gewicht.
Michael Schwarz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH
Braunschweiger Zeitung vom 24.10.2018


Und noch ein Beispiel für derartige Abwehrbewegungen:

Zu der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beabsichtigten Indienststellung eines Luftfahrzeugs vom Typ Dassault Falcon 20000LXS meinte das Mitglied Gundel des Aufsichtsrats der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH:

Die nachfolgend dargestellte neue FALCON benötigt übrigens voll beladen nur 1.680 m für den Start.“
https://www.waggum-online.de/flughafen/


Das Luftfahrzeug Dassault Falcon 2000LXS benötigt nach Angaben des Herstellers Dassault für den Start jedoch nur eine Startstrecke von 1.425 m (BFL) bei maximal zulässigem Abfluggewicht. Bei der Berechnung der balanced field length (BFL) werden das Abfluggewicht, der verfügbare Triebwerksschub, die Flugzeugkonfiguration und die Beschaffenheit der Rollbahn in Rechnung gesetzt, um die kürzeste benötigte Startstrecke zu bestimmen, die unter diesen Bedingungen mit den Sicherheitsvorschriften übereinstimmt.
https://www.dassaultfalcon.com/en/Aircraft/Models/2000LXS/Pages/overview.aspx# (link gone)


Derartige Abwehrbewegungen von Flughafen-Verantwortlichen erscheinen geeignet, der Öffentlichkeit weiterhin wahrheitswidrig zu suggerieren, dass der Flughafen hauptsächlich für die Forschung benötigt werde. Außerdem stände einer Reduzierung des Flughafens z.B. auf die vor dem Ausbau vorhandene Länge der Start- und Landebahn dem Betrieb des in Aussicht genommenen, zukünftigen Luftfahrzeugs des DLR entgegen, wenn dieses tatsächlich 1.680 m für den Start benötigen würde.

Nun hat der neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH, Herr Michael Schwarz, ein „Aufpolieren“ des Flughafens angekündigt und bei den Mitarbeitern „eine tolle Aufbruchstimmung“ erlebt. Darüber hinaus kündigt der Flughafen erstmals an:

2019 wird für uns ein Jahr sein, in dem wir einen offenen Dialog mit Ihnen suchen werden. Dieser Dialog wird in verschiedenen Foren stattfinden. Die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt werden wir in den Vordergrund rücken. Wir freuen uns auf persönliche Gespräche, aber auch auf den gemeinsamen Gedanken- und Ideen-Austausch.“

Waggumer Echo, Ausgabe 543, Dezember 2018




Ralf Beyer
26.11.2018

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